Menschen als Produkte
“Im Zeitalter der Globalisierung entwickeln sich die ‚Kollateralschäden’ und Kollateralopfer’ […] allmählich zu den (zugleich voluminösesten) Hauptprodukten der Abfallindustrie” (Bauman 2005, 125).
Für die Schlepperbanden sind Menschen, wie oben schon angedeutet, nur Produkte, die es zu transportieren gilt. Dabei legen die Banden ein menschenverachtendes Weltbild an den Tag, das Individuen, die an ihrem angestammten Ort nicht mehr erwünscht sind, nur als ‚Kollateralschaden’ des Globalisierungsprozess ansieht und aus ihrem Elend Profit schlagen will. Bauman geht dabei so weit, den Banden das Verhalten mittelalterlicher Viehbarone zu attestieren und ihre Tätigkeit als die einer “Abfallindustrie” zu bezeichnen, mit dem Unterschied, dass ihr Tätigkeitsfeld kein Abfall im eigentlichen Sinne der Bedeutung ist, sondern aus menschlichen Individuen besteht.
Handlung der Sequenz
Alexej kommt in Dags Büro und bittet ihn, den Sohn Nishas nach Deutschland zu schmuggeln. Dag weicht dabei von seinem Preis von 4.000€ nicht ab, und Alexej erklärt sich schließlich bereit, eine Hälfte des Preises für Nisha zu übernehmen. [Die nachfolgende Sequenz wurde von uns herausgeschnitten, da sie inhaltlich irrelevant ist]. In der folgenden Sequenz sehen wir Dag und Nisha in einer Kantine des Flughafens sitzen. Nisha fühlt sich sichtlich unbehaglich. Bei der Geldübergabe schiebt sie das Geld zunächst über den Tisch, wird von Dag aber dahingehend berichtigt, das Geld unter dem Tisch zu überreichen. Anschließend bittet er sie um ein Foto ihres Sohnes und fordert Nisha zum Gehen auf.
In dieser Sequenz gewährt der Film Tor zum Himmel einen Einblick in die Arbeitsweise von Schlepperbanden. Schon das Gespräch zwischen Alexej und Dag lässt die menschenverachtende Arbeitsweise dieser Organisationen zu Tage treten. Die Frage, wen er schmuggeln soll und welches persönliche Schicksal hinter dem Individuum steht, ist für Dag irrelevant. Ob es nun um einen kleinen Jungen oder einen Erwachsenen geht, ist deshalb nicht von Bedeutung, da die Bestechungsgelder, die er zahlen muss, für beide die gleiche Höhe haben. Der Preis ist folglich eine simple Frage der Aufwendungen und folgt einer Logik, die von normalen Produktkalkulationen bekannt ist.
Als Nisha Dag schließlich das Geld überreicht, offenbaren sich beide Seiten des Geschäfts. Nisha ist unsicher. Ihre Arme sind eng an den Körper angelegt, sie wirkt sehr unruhig. Körpersprache und Mimik machen deutlich, dass es sich für sie um eine nichtalltägliche Situation handelt, was auch durch die Unkenntnis über die richtige Form der Geldübergabe gestützt wird.
Dag liefert dazu eine Kontrastfolie. Er wirkt ruhig und entspannt. Als Nisha ihm das Geld über den Tisch reicht und später erst nach der zweiten Bitte den Tisch verlässt, wird er unruhig. Durch dieses Verhalten wird offensichtlich, dass er in dieser Art, Geschäfte zu tätigen, genügend Erfahrung gesammelt hat, um die Regeln zu kennen und die Nichteinhaltung dieser als lästig zu erkennen. Die Ruhe, mit der Dag über das Schicksal eines kleinen Jungen entscheidet und dieses allein von seinem ökonomischen Vorteil abhängig macht, lässt erahnen, was Bauman meint, wenn er von Flüchtlingen als “Hauptprodukte der Abfallindustrie” spricht.
- Zum Film Tor zum Himmel