Fazit

Abschließende Betrachtung beider Filme

Bevor wir ein generelles Fazit zu “Verworfenes Leben” ziehen, wollen wir kurz ein Resümee der Filme in Bezug auf die von Bauman vertretenen Thesen ziehen. Beide Filme bestätigen durchaus die Thesen Baumans, auch wenn sie die harsche Rhetorik sicherlich nicht in ein visuelles Äquivalent übersetzen können. Dies ist sicherlich der Tatsache geschuldet, dass beide Filme sich als fiktionale Spielfilme am ökonomischen Erfolg orientieren müssen und daher keinen Anspruch auf die dokumentarische Abbildung der Wirklichkeit haben.

Auffällig ist dabei, dass beide Filme die Problematik der Flüchtlinge nicht in der Mitte der Gesellschaft ansiedeln, sondern sie auf einem Flughafen situieren, welcher immer ein “Grenzland” darstellt. Für Deutschland scheint diese Wahl sich auch daraus begründen zu können, dass es nun mal keine direkten Grenzen an Krisengebiete gibt, über die Flüchtlinge direkt einwandern könnten. Für die USA wäre es jedoch auch möglich und durchaus nicht realitätsfern, einen solchen Film über die Problematik von (illegalen) Einwanderern an der mexikanischen Grenze zu verorten. Dass dieses nicht geschieht, könnte an der impliziten Symbolik des Flughafens liegen, steht er doch wie keine andere logistische Institution für den uneingeschränkten Waren- und Personenverkehr, der für die Globalisierung und somit auch für die Moderne ein konstitutiver Faktor ist. Mehr noch, der Flughafen beschreibt – wie Jan Hinrichsen in einer Rezension über den Film “Das wahre Leben ist anderswo” feststellt – das Lebensgefühl der flüchtigen Moderne, da er einen öffentlichen Schauplatz “der Bewegung” darstellt, wo das unverbindliche Zusammentreffen und Auseinandergehen zur Norm wird” (Hinrichsen 2009, 21). Somit können sowohl The Terminal als auch Tor zum Himmel als Indiz dafür gesehen werden, dass die Problematik der Flüchtlinge, wenn auch nicht durch die Moderne hervorgebracht, in dieser zumindest verschärft wurde.

Generelles Fazit: Rhetorischer Fehlgriff oder Wahrheit

Die in “Verworfenes Leben” vertretene These lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Logik der Moderne führt dazu, dass menschliche Individuen an ihrem angestammten Aufenthaltsort nicht mehr gebraucht werden und somit unerwünscht sind. Auf diese Weise entsteht, wie von Bauman rhetorisch hart formuliert, “menschlicher Abfall”, bei dem die Frage, wie es zur Unerwünschtheit gekommen ist, nicht von Interesse ist. Allen gescheiterten Existenzen ist dabei gemein, dass ihnen nicht nur der Rückhalt einer staatlichen Autorität fehlt, sondern die Nationalstaaten darüber hinaus versuchen, sie an anderen Orten abzuladen. Bauman illustriert dies anhand mehrerer Gruppen exemplarisch und hält seine Abfall-Metapher konsequent durch.

Die Thesen Baumans wirken auf den ersten Blick trotz ihrer harschen Rhetorik in sich konsistent. Auch wenn die Wortwahl “menschlicher Abfall” für die Bezeichnung von Lebewesen sicherlich unangebracht ist, gießt Bauman Öl ins Feuer der aktuellen Diskussion um die Frage, wie mit den Verlierern der Globalisierung und der sich infolgedessen veränderten Arbeitswelt umzugehen ist.

Die in dieser Arbeit schwerpunktmäßig behandelte Problematik der Flüchtlinge steht in Deutschland dabei (noch?) nicht tagtäglich auf der politischen Agenda, was sicherlich der Tatsache geschuldet ist, dass Deutschland nur Grenzen zu anderen EU-Mitgliedern besitzt und das Flüchtlingsproblem eher an den Grenzen der Europäischen Union virulent ist. Die aktuelle Diskussion um soziale Gerechtigkeit zeigt dabei jedoch, dass auch in Deutschland die Schere zwischen Globalisierungsgewinnern und –verlierern immer weiter auseinander zu klaffen scheint. Und auch in der aktuellen Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung könnten die Thesen Baumans durchaus zum Repertoire der Argumente zählen, geht es doch im Endeffekt schließlich um die Machtoptionen, die ein Nationalstaat noch besitzt, und die Kultur des Vertrauens/ Misstrauens, die sich aus dem Gebrauch dieser Optionen ergibt.

Die Argumentation Baumans muss sich jedoch den Vorwurf gefallen lassen, nur eine Seite einer komplizierten Problematik zu behandeln. So stellt sich die Frage, ob die vom Staat praktizierte generelle “Kultur des Misstrauens”, wirklich eine gesellschaftliche Tendenz wiedergibt. Auch die Arbeit humanitärer Hilfsinstitutionen und anderer sozialer Verbände bleibt unberücksichtigt. Die Thesen Baumans erscheinen unter diesem Licht vielleicht nicht vollkommen falsch, werden aber dennoch in ihrer Schärfe etwas relativiert.

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